Posted on: 14. September 2022 Posted by: MDamerius Comments: 0

Kommst du zu schnell und zu früh beim Sex?

Warmes Sperma auf dem Körper, im Arsch oder im Mund – für viele Jungs ist es der ultimative Höhepunkt einer geilen Sexsession. Einhergehend mit dem Orgasmus selbst verheißt es höchsten Lustgewinn sowie Belohnungsprinzip und vereint auf dem intimen Gipfel die sexuelle Ekstase zwischen zwei oder mehreren Männern. Je mehr unser Gegenüber aus sich herausspritzt, desto schöner ist es für viele Männer. Aber bitte nicht zu früh, oder?

Das Klischee der Zufrühkommer konzentriert sich darauf, dass Jungs und Männer mit sehr frühem Samenerguss entweder wenig Erfahrung haben, lange Zeit keinen Sex mehr hatten oder schlicht zu geil und aufgeregt waren. Doch neuere Studien belegen, dass das Phänomen des frühen Abspritzens nicht ganz so einfach zusammenzufassen ist. Erst in den letzten Jahren gab es wesentliche Fortschritte bei der Ursachenforschung, zuvor war das Thema auch wissenschaftlich oft noch mit einem Tabu besetzt. Inzwischen geht man davon aus, dass ein vorzeitiger Samenerguss (Fachausdruck: Ejaculatio praecox) sowohl körperliche wie auch neurobiologische Gründe hat oder sogar in den Genen bereits angelegt sein kann. Klar ist, frühes Abspritzen ist nicht immer nur eine Kopfsache oder jugendliche Überstimulation.

Blicken wir auf die Fakten

Davon betroffen sind Männer jeden Alters. Das vorzeitige Abspritzen ist dabei die häufigste Funktionsstörung beim Sex. Die genauen Studienergebnisse variieren, gehen aber im Schnitt davon aus, dass zwischen 20 und 35 Prozent der Männer darunter leiden (H.Prost, PEPA Studie/W. Berger, Deutsche Aidshilfe). In Anlehnung an zwei weitere Studien (Bahr und Week/McWhirter und Mattison) lässt sich die These aufstellen, dass heterosexuelle Männer dabei beinahe doppelt so oft darunter leiden wie Homosexuelle. Das ist trotzdem kein Grund zur Freude, denn durchschnittlich bedeutet das immer noch, dass jeder fünfte schwule Mann zu früh abspritzt. Der Leidensdruck ist immens und wird nur noch durch die eigene Scham übertroffen, weswegen auch nur zehn Prozent der Betroffenen zu einem Arztgehen.

Spritze ich zu früh ab?

Nicht jeder, der ab und an einmal früher als eigentlich gewünscht ejakuliert, ist deswegen gleich krankhaft davon betroffen. Oftmals können auch variable und kurzzeitige Themen wie eine zuvor längere, sexfreie Zeit oder eine starke Form von Aufregung (das erste Mal Sex mit dem neuen Kerl oder du bist frisch verliebt) mit hineinspielen. Per medizinischer Definition handelt es sich um jene sexuelle Funktionsstörung, wenn die Ejakulation sehr schnell geschieht (meist unter einer Minute), man selbst diese nicht kontrollieren oder hinauszögern kann und dadurch ein erheblicher Leidensdruck entsteht. So setzt sich eine Spirale von Angst und Frustration in Gang, die viele Betroffene dann unbewusst noch weiter befeuern, indem sie sich selbst den Druck auferlegen, beim nächsten Mal „müsse es jetzt aber klappen!“ Bei gesunden Männern kommt es im Durchschnitt nach rund fünf Minuten zu einem Samenerguss.

Die Gründe

Fachärzte teilen den vorzeitigen Samenerguss in zwei Kategorien ein: Die lebenslange (primäre) und die erworbene (sekundäre) Funktionsstörung. Im ersten Fall hat der Mann bereits von Anbeginn seiner sexuellen Aktivität Probleme damit – auch nicht selten bei der eigenen Masturbation. Derzeit gehen Ärzte davon aus, dass dies teilweise genetisch bedingt sein könnte, zum Beispiel durch einen veränderten Serotoninhaushalt. Im zweiten Fall ist die Ausgangslage komplexer, da eine große Anzahl von Gründen ursächlich sein kann. Das reicht von einer körperlichen Erkrankung wie beispielsweise einer Prostataentzündung oder einer Schilddrüsenfehlfunktion über die Einnahme diverser Substanzen (Drogen, Alkohol, Medikamente wie Viagra oder Antidepressiva) bis hin zu psychischen Problemen wie Stress oder Leistungsdruck. Auch wer häufig masturbiert und dabei stets nur schnellstmöglich und immer nur zu den gleichen Vorlagen (Pornos) kommt, konditioniert sich selbst darauf, möglichst schnell abzuspritzen. Bei dem erworbenen vorzeitigen Samenerguss hat sich die Situation dagegen erst nach und nach entwickelt und war nicht schon immer so.

Der Besuch beim Arzt

Keine Angst vor einem Schritt zu einem Urologen, denn wie schon aufgezeigt, handelt es sich dabei um eine sehr häufige Problematik bei Männern. Also, werfe das Zerrbild vom hypermaskulinen Superkerl über Bord und sorge lieber dafür, dass du dein persönliches Sexleben mit etwas Hilfe besser ausleben kannst. Im Gespräch wird dich der Arzt genau befragen (z.B. Zeitspanne bis zum Samenerguss, Kontrollmöglichkeiten, wann sind die ersten Symptome aufgetreten), um abzuklären, was die Ursachen sein können, um anschließend eine Diagnose zu stellen und dir die richtigen Mittel und Möglichkeiten an die Hand zu geben, damit du aktiv gegen den vorzeitigen Samenerguss angehen kannst. Der Gang zu einem Facharzt ist frei von Scham, setzt aber voraus, dass man bereits länger unter diesem Zustand leidet. Wer nur ab und an oder nur unter bestimmten Umständen mal früher als gewünscht abspritzt, kann auch mit etwas Training zu Hause dagegen angehen.

Was kann ich tun?

Es gibt medizinische und therapeutische Maßnahmen sowie auch ganz praktische Übungen und Hilfsmittel für zu Hause. In Tablettenform gibt es rezeptpflichtige Psychopharmaka wie Antidepressiva, die als „Nebeneffekt“ einen vorzeitigen Samenerguss verhindern können. Man spricht hier von Off-Label-Use, da die Medikamente ursprünglich nicht dafür entwickelt worden sind. Zudem können weitere unerwünschte Nebenwirkungen entstehen, weswegen vor jeder Einnahme von Tabletten generell ein Arzt zu konsultieren ist. Das Mittel Priligy dagegen wurde eigens zur Behandlung und besseren Kontrolle von frühzeitigem Samenerguss entwickelt und enthält den Wirkstoff Dapoxetin, ein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. In Korea werden zudem bereits zwei vielversprechende chirurgische Eingriffe praktiziert (selektive dorsale Neurektomie – kurz SDN genannt – und die Augmentation mit Hyalurongel), die allerdings außerhalb des Landes noch im experimentellen Stadium sind und bisher noch keine Empfehlung von der internationalen Gesellschaft für Sexualmedizin haben.

Abseits dieser Lösungsansätze gibt es auch diverse Therapieformen, die man zu Hause allein oder mit dem Partner erarbeiten kann und im ersten Schritt der Einnahme von Medikamenten vorzuziehen sind. Kern der Übungen ist es, den Point of no return vor dem Ejakulieren zu trainieren und so effektiv eigenständig hinauszögern zu können. Als sehr hilfreich zeigten sich in den letzten Jahren das Training und gezielte Anspannen der Beckenbodenmuskulatur und des PC-Muskels sowie die Squeeze- und Stopp-Start-Methode nach Masters und Johnson. Bei ersterem wird die Wahrnehmung der eigenen Erregung sensibilisiert und anschließend wird der Penis unterhalb der Eichel zwischen den Stimulationsphasen kurz zusammengedrückt, sodass der Drang zu Kommen kurzfristig nachlässt. Diese Übung im Wechsel zwischen Stimulation und Entspannung sollte zwanzig Minuten am Stück erfolgen. Die Stopp-Start-Methode funktioniert ähnlich, allerdings ohne das Zusammendrücken. Immer wieder bringt man sich dabei bis kurz vor die Ejakulation, pausiert und macht dann erneut weiter. Das lässt sich auch direkt beim Sex mit dem Partner umsetzen. Wichtig ist auch hier, dass man mindestens fünfzehn Minuten am Ball bleibt und nicht vorzeitig bereits zum Ende kommt.

Ein schnelles, zumeist rezeptfreies Hilfsmittel sind lokale Betäubungsmittel in Form von Sprays oder speziellen Kondomen, die an der Innenseite mit einem Lokalanästhetikum bearbeitet sind. Gleiches gibt es auch in Form von Gels oder Salben zum Auftragen auf den Penis – ihnen allen ist zu eigen, dass die Wirkung meist sehr kurzfristig einsetzt, die Erregbarkeit des Penis herabsetzt und im Durchschnitt die Zeit bis zum Ejakulieren dadurch vervierfacht wird. Salben und Gels können zudem auch für den passiven Part von Vorteil sein, weil die Region rund um den After ebenso desensibilisiert wird und ein Eindringen gerade bei Ungeübten so leichter möglich ist.

Grundprinzip aller Anwendungen ist dabei allerdings die eigene Einsicht und Überlegung, wo abseits von körperlichen Ursachen der Ursprung eines frühzeitigen Samenergusses liegen kann. Dabei gilt es, sich erst einmal zu entspannen und nicht sofort dramatisch, panisch oder anderweitig gestresst zu reagieren – diese Formen von Druck sind der Erzfeind jeder männlichen Erektion und jedes Samenergusses. Es gilt, achtsamer mit sich selbst und seinem besten Freund umzugehen, wenn möglich den eigenen Lebensstil zu überdenken, inklusive aller Formen von Stressvermeidung und ein wenig genauer in seinen eigenen Körper hineinzuhören. Zudem sei gesagt: Es gibt sogar Männer, die als besonderen Fetisch nach anderen Kerlen suchen, die schnell abspritzen. Also, beruhige dich! Und lasse im ursprünglichsten Wortsinn die Sache langsam und trotzdem mit Genuss angehen.

(jh)

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