
Der Konsens als Schlüssel zu mehr Genuss beim BDSM-Sex
Da schiebt man gerade eine geile Nummer, ist so richtig wild am rummachen, und dann steckt der Partner einem ungefragt den Finger in den Po und man ist voll aus dem Konzept. Anderes Beispiel: Du hast deinen gefesselten Partner vor dir liegen, fühlst dich gerade so richtig geil und willst ihn innig küssen, und er dreht nur den Kopf weg. Kurzum: Es ist immer doof, wenn der Konsens nicht passt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es während der heißen Nummer im Bett oder bereits an der Bar passiert – auf der anderen Seite finden viele Jungs genau das sehr reizvoll, also eine Form der Übergriffigkeit, wenn ein Kerl dir zum Beispiel ungefragt in den Schritt fasst. Also stellt sich die Frage:
Was ist eigentlich Konsens?
Konsens ist der Zustand, in dem beide Männer sich darüber einig sind, was insgesamt getan werden darf und was nicht. Insofern haben beide Partner im Zustand des Konsens die Gewissheit, dass nichts passiert, was sie selber nicht wollen, oder was der Partner nicht will. Sie haben gemeinsam ihren Handlungsspielraum abgesteckt und können sich in diesem nun voll entfalten. Konsens ist vor allem im BDSM ein fester Standard. Es ist sozusagen die Grundlage dafür, dass die Praktiken überhaupt erst legal werden. Würden sie gegen den Willen eines Partners durchgeführt werden, wären sie oftmals eine Straftat wie zum Beispiel bei Schmerzspielen rund um “Körperverletzungen”, bei Fesselspielen mit Bezug “Freiheitsberaubung” oder bei Sexualpraktiken in den Bereichen “Nötigung”, “Missbrauch” oder “Vergewaltigung”. Erst das Einverständnis macht aus diesen potentiellen Straftaten eine, für beide Seiten positive kinky Session.
Zwei Ansätze: Ja heißt Ja – Nein heißt Nein
Man unterscheidet zwei Ansätze, wie man Konsens erreichen kann, die sich eher ergänzen als ausschließen: “Ja heißt Ja” und “Nein heißt Nein”. “Ja heißt Ja” bedeutet, dass jede Praktik einzeln angesprochen und bejaht werden muss. Passiert dies nicht, ist die Praktik nicht erlaubt. Ein eigentlich schöner Ansatz, auch wenn man wirklich sehr viel bereden muss und dabei häufig der Spaß etwas auf der Strecke bleiben kann. Dennoch kann man hierbei nicht grundsätzlich davon ausgehen, dass damit auch alles einvernehmlich ist, denn eine generelle Zustimmung sagt noch nichts über die genaue Art und Weise aus, wie etwas gemacht wird, beispielsweise die Intensität, die konkrete Durchführung sowie die Kombination aus beidem. Auch kann die Tagesverfassung des jeweiligen Subs variieren. Würde man allerdings alle Aspekte einbeziehen, wären wir wohl nur noch am Reden. Das ist definitiv nicht mit „“Dirty Talk“ gemeint. Zudem: Immer wieder hört man von unerfahrenen Bottoms Sätze wie: „Mit mir kannst du alles mitmacht…” Damit öffnet sich aber eigentlich ein weites Feld an Möglichkeiten – dies können harmlose Dinge sein wie Fesseln, Filmaufnahmen, Eier-Folter, Sounding oder Nadeln, aber auch Dinge wie Skatspiele, Brandings, Erpressung, illegale Dinge, Verstümmelung bis hin zu Snuff-Spielen (Tötungsfantasien). Solch eine Aussage sollte man also nie treffen! Falls sie euch jemand gegenüber äußert, ist er entweder ein lebensmüder Freak oder er ist sowas von unerfahren, dass er eigentlich gar nichts weiß. Meistens zum Glück letzteres. Die richtigen Freaks wissen nämlich genau, wo ihre Limits sind und das ist auch gut so – we love our freaks!
Das ergänzende Konzept “Nein heißt nein” schließt diese Lücke. Ein Nein (Sinnbildlich für das Stoppwort oder die Äußerung, dass etwas nicht gewünscht wird) kann jederzeit gesagt werden und sollte dann auch zum Abbruch der Praktik oder der gesamten Session führen. Es setzt aber voraus, dass der Spielpartner grundsätzlich überhaupt auch Nein sagen kann. Kein Witz; das ist nicht immer der Fall, beispielsweise mit einem Knebel im Mund oder einer Maske über dem Kopf. Einige Menschen haben auch einfach eine Hemmung, Stopp zu sagen. Dies muss man tatsächlich üben. Man sollte dabei konkret üben, dass man sich zutraut, überhaupt etwas zu sagen und zudem, dass man es klar und deutlich sagt – “Aua, das tut weh” heißt nun einmal nicht Stopp. Ich bin ein Freund der klaren Kommunikation. In meinen Sessions mit Newbies beginne ich meist mit einer Trockenübung. Hierzu sage ich dem Sub, dass er Stopp sagen soll, sobald ich aufhören soll. Ich mache dann eine harmlose Praktik, wie zum Beispiel Tittenfolter an meinem nicht gefesselten Sub, bis er Stopp sagt. Selbst wenn sein Gesicht schon viel früher um ein Stopp bittet, er sich wehrt oder er mit Kommentaren wie “Fuck, das tut weh” dies bereits ausdrückt, warte ich auf eine entsprechende Aussage wie “Stopp, hör auf damit”. Erst dann erlöse ich ihn davon. Kommt das Stopp nicht, erkläre ich es ihm noch einmal.
Das Konsensgespräch zwischen Sub und Dom
Wir generieren Konsens im Rahmen des BDSM im Allgemeinen durch gemeinsame
Absprachen, das sogenannte Konsensgespräch. Das ist nicht nur wichtig, um essentielle Informationen auszutauschen und Rahmenbedingungen festzulegen, sondern auch, um sich auf menschlicher Ebene auf den Partner einlassen zu können und um für sich zu entscheiden, ob man dem Partner vertrauen kann und möchte. Für den Sub scheint dies sehr naheliegend und logisch zu sein. Du solltest niemals mit einem Partner spielen, dem du nicht vertrauen kannst. Du würdest dich während der Session nicht fallen lassen und loslassen können. Dies gilt aber auch für den Dom. Dieser muss ebenfalls für sich entscheiden, ob er denkt, dass er den Sub bespielen kann und möchte. Soll heißen, versteht er, wie der Sub tickt und wie er ihn führen, formen und bespielen kann? Glaubt er, dass er hierbei auch auf seine Kosten kommt und hat er hierbei ebenfalls Spaß? Vertraut er dem Sub und spricht er dem Sub genug Kompetenzen zu, dass er auch Stopp oder Nein sagen wird, wenn er dies für sich braucht? Kann er in infolgedessen auch wirklich befreit und unbefangen loslegen oder befürchtet er, dass er sich die ganze Zeit um den Sub kümmern muss? Ein Dom hat genau wie der Sub das Recht darauf, eine Session nicht zu starten, wenn er sich mit seinem Partner unwohl fühlt.
Was sind die wesentlichen Inhalte eines Konsensgesprächs?
Nebst Vertrauen und Vorstellungen gilt es, weitere Punkte zu klären: Was ist der wesentliche Inhalt der Session? In welche Richtung soll es gehen? Gibt es vielleicht ein bestimmtes Motto oder Thema, das verfolgt werden soll? Dies sind wesentliche Elemente und sie werden sich auf die gesamte Ausgestaltung der Session auswirken. Für einige Menschen sind diese sogar so essentiell, dass sie quasi die Voraussetzung dafür sind, ob es mit einem bestimmten Partner überhaupt passen kann oder nicht. Hast du zum Beispiel einen bestimmten Fetisch und muss dieser Fetisch Teil der Ausgestaltung sein, so solltest du dies natürlich als erstes deinem Partner mitteilen. Gleiches gilt, wenn du ein bestimmtes Rollenspiel möchtest oder einen ganz bestimmten Headspace brauchst, um eben in eine bestimmte Situation hineinzukommen. Sei hier offen und ehrlich zu deinem Partner und sag ihm, was dir wichtig ist. Sei aber auch offen für andere Erfahrungen und probiere dich aus, wenn du dich damit wohlfühlst!
Limits und Grenzen
Jeder Mensch hat seine Grenzen und Limits. Über diese zu reden, ist ein wesentlicher Teil des Konsensgesprächs. Im folgenden Spiel muss man natürlich davon ausgehen, dass diese Grenzen eingehalten werden. Es gibt jedoch unterschiedliche Arten von Grenzen und Graubereiche, hierzu ein anderes Mal mehr. Prinzipiell unterscheidet man vier Bereiche:
- Sachen, die ich kenne und möchte
- Sachen, die ich kenne und nicht möchte
- Sachen, die ich ertrage oder nur unter bestimmten Umständen umsetze
- Sachen, die ich noch nicht kenne
Die ersten beiden Bereiche sind eigentlich selbsterklärend. Dies sind deine Fetische, Likes und Dislikes. Der dritte Bereich kann dagegen sehr unterschiedlich ausprägt sein: Es gibt Praktiken, zu denen man eine Hassliebe pflegt, die man also eigentlich nicht mag, sie aber trotzdem möchte. Es gibt Praktiken, die man als Bestrafung akzeptiert, aber sie an sich nicht geil findet. Es gibt auch die Möglichkeit, dass einem eine Praktik weder gefällt noch missfällt und man sie für den Partner tun würde. Und es gibt natürlich auch Praktiken, die man vielleicht nicht so mag, aber wenn man entsprechend horny ist, sieht die Welt dann plötzlich ganz anders aus. Anmerkung am Rande: Besonders “lustig” ist es, wenn beide Partner eine Praktik nicht besonders mögen, sie aber denken, dass sie diese für den Partner tun sollten. Der Partner tut gleiches und wenn sie einander ansehen, sehen sie vermeintlich oder tatsächlich, wie der Partner es geil findet – und diese Geilheit wirkt erneut als Motor für beide Partner in dem Spiel. Erst hinterher wird dann klar, dass dies für beide Partner eine richtig geile Fuß-Session war (als Beispiel), obwohl beide eigentlich gar nicht besonders auf Füße als Fetisch abfahren. Ein toller Zufall, der Beiden eine richtig geile Session eingebracht hat.
Blicken wir noch zum vierten Bereich: Zu den unbekannten Praktiken ist zu sagen, das darunter nicht nur die Praktiken fallen, die du selber noch nicht ausprobiert hast, sondern auch Varianten von bereits bekannten Praktiken sowie auch Praktiken, die im Vorgespräch nicht besprochen worden sind. Zu manchen magst du eine positive oder negative Einstellung pflegen, sofern es aber keine Abneigung ist, probiere sie doch gerne aus. Informiere aber deinen Partner, sodass er hier etwas mehr auf dich eingehen kann und eventuell den Lead für euch übernehmen kann. Rechne zudem damit, dass es auch bei bekannten Praktiken zu Überraschungen kommen kann: Wenn du brandneue Nippel-Klemmen hast, die du bisher noch nicht ausprobiert konntest, du prinzipiell aber darauf stehst, kannst du trotzdem von der Intensität oder Haptik der neuen Nippel-Klemmen negativ wie positiv überrascht werden. Gleiches gilt auch für deine Tagesverfassung oder wenn die Praktiken in Kombination mit anderen oder unter bestimmten Umständen umgesetzt werden. Es kann also sein, dass, obwohl du denkst, es wäre eine positive oder negative Praktik, diese dann im Rahmen der Live-Erfahrung plötzlich anders einordnest als vorher gedacht. Dies kann zu eine “Ups” oder einem “Saugeil” führen. Probier´ es aus!
Gesundheit und Ängste
Deine persönliche Gesundheit sowie eventuelle Ängste sind essentielle Themen in jedem Vorgespräch. Sie werden dich und deinen Partner stark im Spiel beeinflussen! Hast du beispielsweise Traumata, sollte dein Partner dies wissen. Sie werden ansonsten negativ in einer Session aufkommen und können deinen Partner vor eine unlösbare Aufgabe stellen. Auch Medikamente, die du nimmst oder eventuelle Krankheiten, die zu berücksichtigen sind, werden euch im Spiel beeinflussen. Derjenige, der hier etwas mit in die Session hineinbringt, muss vorab reflektieren, wie sich diese auswirken können und dies dem Partner mitteilen. Der Partner muss basierend auf dem Konzept, welches er umsetzen möchte, wissen, wie sich dies auswirken könnte. Redet daher hier explizit und offen darüber, was passieren könnte. Wenn ihr euch unsicher seid, so könnt ihr vorher auch einen Experten fragen! Hundertprozentige Sicherheit wird es aber wahrscheinlich nie geben. Man sollte jedoch Risiken soweit möglich im Vorfeld bereits reduzieren! Anmerkung: Es ist übrigens keine Lösung, hinzugehen und zu behaupten: “Hey ich habe es dir doch erzählt…” – das klappt meistens nicht und macht für beide Seiten hinterher nur Ärger. Besser ist es, wenn ihr euren Partner auch während der Session an besondere Einschränkungen erinnert und hier eine offene Kommunikation pflegt. Auch keine Lösung ist es, anzunehmen, dass schon nichts passieren wird, weil ja alles abgesprochen ist und es ein Drehbuch gibt. Es kann immer mal passieren, dass ihr vom Drehbuch abweicht.
Stopp- und Codewörter
Neben den erlaubten Praktiken, sollte außerdem im Konsens-Gespräch darüber geredet werden, welche Stopp- und Abbruchkriterien man verwenden möchte. Vielleicht möchte man in einer Session bewusst eine Art Vergewaltigung nachstellen und ein “Stopp! Aufhören!” wäre somit kein eindeutiges Kriterium. Weit verbreitet ist der Ampel-Code, oder das Stopp-Wort “Mayday”. Ich persönlich verwende das Wort “Kühlschrank“. Die Politik der klaren Worte ist gut, funktioniert aber nur dann, wenn ihr auch klar formulieren könnt, was bei euch gerade los ist! Und immer daran denken: Wenn man geknebelt ist, bedarf es anderer Wege, um dem Partner zu kommunizieren, wenn es zu viel wird. Augenkontakt ist selbstverständlich eine Lösung. Zum Beispiel. Zwei Mal Zwinkern ist die Frage des Doms, ob alles in Ordnung ist. Zwei Mal Zwinkern ist die Antwort des Subs, das alles in Ordnung ist. Vier Mal Zwinkern dagegen, dass abgebrochen werden sollte. Und wenn die Augen verbunden sind, kann man dies auch mittels Händedruck machen. Für extreme und sehr ruhige Spielarten, wo der Sub von sich aus reagieren sollte, ist zu empfehlen, dass der Sub zum Beispiel einen Schlüssel in der Hand hält und sobald dieser fällt, ist dies der Hinweis an den Dom, dass etwas nicht stimmt und er aktiv werden muss. Dies kann natürlich auch sehr gut mit den vorhergehenden, non-verbalen Praktiken kombiniert werden.
Das richtige Maß finden
Bei Einigen nimmt ein Konsens-Gespräch die Angst, bei Anderen baut es diese erst auf. Einige wollen lieber direkt loslegen und den Nervenkitzel voll genießen, andere müssen erstmal warm werden und machen beim ersten Date am liebsten gar nichts. Am besten ist daher tatsächlich, möglichst viel im Vorfeld zu bereden, manche Männer wollen aber lieber situativ während der Session reagieren und schauen, wie es läuft. Wie immer gilt, dass man alles über- oder untertreiben kann. Findet für euch den passenden Weg und experimentiert ein wenig rum. Spielt aber niemals mit jemandem, dem ihr nicht vertraut, und lasst euch zu nichts drängen oder zwingen, was ihr nicht wollt. Zudem spielt immer mit einem Stopp-Wort und lernt, rechtzeitig Nein zu sagen, beziehungsweise euch klar auszudrücken, was ihr wirklich wollt.
Stay kinky! (dm)
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